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    Die „Weimarer Klassik“

    Die Zeit der Weimarer Klassik bildet bis heute eine zentrale Grundlage deutscher und europäischer kultureller Identität. In dieser verhältnismäßig kurzen zeitlichen Periode von nur etwa drei Jahrzehnten prägte eine günstige personelle Konstellation Weimar. Unter der Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach (1739-1807) entstand ein Musenhof mit Theateraufführungen, Konzerten und Maskenbällen. Zudem legte sie den Grundstein für die beeindruckende Herzogin Anna Amalia Bibliothek, in der die Büchersammlung der Weimarer Herzöge fortan auch öffentlich zugänglich war.

    Anna-Amalia
    Herzogin Anna-Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach Ölgemälde nach Johann Georg Ziesenis

    In der Zeit der Regentschaft ihres Sohnes Carl August (1757-1827) siedelt sich dann der junge Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) in Weimar an. Der Sohn eines wohlhabenden Patriziers aus Frankfurt am Main hatte nach dem Erfolg seines Romans „Die Leiden des jungen Werthers“ als literarisches Genie schon europaweit Anerkennung erfahren. Was zog ihn nun in dieses Provinzstädtchen? Die Anstellung am Weimarer Hof und das damit verbundene Mäzenatentum durch Herzog Carl August und die Herzoginwitwe Anna Amalia boten ihm die existentielle Sicherheit, um weiter seinen literarischen Neigungen nachgehen zu können. Er wurde ein enger Freund und Vertrauter des jungen Herzogs und sollte in weiterer Folge auch wichtige Positionen in der Regierung des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach einnehmen. Nicht zuletzt war auch der Herzog dafür verantwortlich, dass Goethe in den Adelsstand erhoben wurde und ein „von“ fortan seinen Namen zierte.

    Johann Wolfgang von Goethe
    Johann Wolfgang Goethe, nach Georg Melchior Kraus 1775/76

    Das Leben und Wirken Goethes in Weimar hat die Stadt geprägt. Im Park an der Ilm befindet sich sein Gartenhaus, das ihm erst als Wohnstätte und im späteren Leben als Rückzugsort diente. Trotz seiner Einfachheit ist es bis heute ein bezaubernder Ort geblieben.

    Goethes Gartenhaus
    Goethes Gartenhaus im Park an der Ilm, einst ein Weinberghäuschen und dann Wohn- und Arbeitsstätte

    Die Gartenanlage nach den Originalentwürfen des einstigen Gestalters lädt zum verträumten Verweilen ein, und die Innenräume geben einen authentischen Einblick in die Lebensführung des großen Dichters in seinen jungen Jahren.

    Goethes Gartenhaus Aufgang
    Der Aufgang zu Goethes Gartenhaus im Weimarer Ilmpark

    Goethes Leben in Weimar spiegelt sich auch in seinem Stadthaus am Frauenplan wider. Als Teil des Goethe-Nationalmuseum zählt es sicher zu den großen Besuchermagneten in Weimar, denn es ermöglicht eine aufregende Zeitreise in das Leben und die Welt Johann Wolfgang von Goethes.

    Goethes Stadthaus
    Goethes Stadthaus am Frauenplan im Zentrum von Weimar, ein Platz, der sich seinen historischen Charakter gut bewahren konnte

    Ein gutes halbes Jahrhundert verbrachte Goethe in diesem Haus; es diente ihm als Wohnung, als Arbeitsplatz, als Mittelpunkt für die Gesellschaft an Künstlern und Literaten, mit der er sich umgab, und als Lagerraum für seine umfangreichen Sammlungen. Im ausgedehnten Garten hinter dem Haus führte er seine botanischen Experimente durch.

    Goethes Stadthaus am Frauenplan war auch das Zentrum des Goethe’schen Familienlebens. In jungen Jahren strikt gegen die bürgerliche Einrichtung der Ehe lebte er fast zwei Jahrzehnte in wilder Ehe mit seiner Haushälterin Christiane Vulpius, die ihm auch einige Kinder gebar. Christiane entstammte einer alten, aber verarmten Weimarer Familie von Akademikern und Handwerkern.

    Christiane Vulpius
    Christiane Vulpius, Bleistiftzeichnung von Johann Wolfgang von Goethe, ca. 1788/89

    Die Verbindung zwischen Goethe und Christiane Vulpius galt der Weimarer Gesellschaft lange als Skandal. Doch erst als sich Christine den in Weimar einziehenden napoleonischen Soldaten entgegenstellte und dadurch die Plünderung des Goethe’schen Heims verhinderte, entschied sich der Dichter, sie zu ehelichen und damit auch in den Augen der durchaus kleingeistigen und konservativen Weimarer Gesellschaft zur ehrenwerten Frau zu machen.

    Christiane Vulpius Grab
    Das Grab von Christiane von Goethe, geb. Vulpius, am Friedhof der Jacobskirche in Weimar. Goethe widmete seiner verstorbenen Frau die Verszeilen auf der Grabplatte: Du versuchst o Sonne vergebens / durch die Wolken zu scheinen! Der ganze Gewinn meines Lebens / ist ihren Verlust zu beweinen.

    Goethes Einfluss auf den jungen Herzog zeigte sich auch in der Bestellung von Johann Gottfried Herder (1744-1803) zum Generalsuperintendenten des Herzogtums Sachsen-Weimar. Er wurde auch zum Pastor primarius an der Stadtkirche St. Peter und Paul, heute besser bekannt als „Herderkirche“, berufen, wo er zwischen 1776 und 1803 tätig war.

    Johann Gottfried Herder
    Portrait des Johann Gottfried Herder

    Die Silhouette der „Herder-Kirche“ dominiert die Weimarer Altstadt, sinnbildlich für die Rolle, die Johann Gottfried Herder einnehmen sollte. Noch ganz in der Tradition der Aufklärung wurde Herder zum intellektuellen Vordenker der deutschen Nationalromantik im frühen 19. Jahrhundert.

    Herderkirche
    Die „Herderkirche“ im Zentrum von Weimar mit einem Denkmal des weltberühmten Kulturphilosophen und Pastor primarius

    Herder propagierte die Nation als zentrales Element der Weltgeschichte und verglich ihre Entwicklung mit dem organischen Wachstum und den verschiedenen Reifestufen eines menschlichen Lebens. Er schrieb ihr einen unverkennbaren Nationalcharakter zu, der sich in einer gemeinsamen Sprache, Kultur, in den Traditionen und in der Geschichte manifestierte. Jedes Individuum als Teil der Nation musste dahingehend erzogen und gebildet werden, diese zentralen Charakteristika zu kennen und sich mit ihnen zu identifizieren. Mit seinen Überlegungen zur Nation legte Herder die Grundlage für die aufkommenden Nationalbewegungen des 19. Jahrhunderts, die sich gegen die überkommenen imperialen, autoritären Herrschaftssysteme wandten und in Folge ein europäisches Ordnungssystem aufbauten, welches bis zum heutigen Tag die politische Ordnung in Europa bestimmt.

    Neben Johann Wolfgang von Goethe prägte auch Friedrich von Schiller (1759-1805) die Deutsche Klassik in Weimar. Er jedoch ließ sich erst in seinen letzten Lebensjahren in Weimar nieder. Es sind besonders diese „Klassik-Zwillinge“ Goethe und Schiller, die die Weimarer Klassik verkörpern. Im Zentrum der Weimarer Altstadt, am Theaterplatz, dominiert ein Denkmal der „Klassik-Zwillinge“ Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich von Schiller aus 1857 das Portal des früheren Weimarer und seit 1919 Deutschen Nationaltheater.

    Die Klassikzwillinge
    Ein Denkmal der „Klassik-Zwillinge“ Goethe und Schiller vor dem Deutschen Nationaltheater im Zentrum der Weimarer Altstadt